Ich verlangsamte mein Tempo, als ich den großen, roten Baum zwischen dem Grün aufblitzen sah. Hechelnd näherte ich mich den Ort, der die Grenze zwischen dem Werwolf- und Vampirrevier darstellte. Meine Ohren drehten sich in alle Richtungen um die Gegend abzuhören und meineSchnauze hielt ich dicht über dem Boden um die frischen Fährten aufzunehmen.
"Da wären wir. Die Grenze zum Menschenrevier," teilte ich dem Fremden darbietend mit.

Ich passte mein Tempo dem der Fähe an und sah mich aufmerksam um, während meine Ohren sich bei jedem noch so kleinen Geräusch bewegten. Der rote Baum weckte meine Neugierde, noch nie hatte ich einen Baum von solcher Farbe in mitten des Sommers gesehen. Ich machte neben der dunklen Wölfin halt und schnupperte ebenso. "Menschenrevier? Seit wann gibt es denn sowas?"

Auf seine Frage hin entwischte mir ein kleines Lachen. "Oh vor ein paar Jahren war hier alles noch wunderbar aufregend und blutig. Es herrschte Krieg zwischen den Menschen, Vampiren und Werwölfen, wohl weil die anderen einfach Angst vor uns hatten. Die Menschen haben sich hinter ihren hohen Mauern verschanzt. Jetzt gibt es ein Abkommen welches alle dazu verpflichtet in ihren vorgeschriebenen Revieren zu bleiben. Man darf die anderen Revier nicht betreten. Deshalb setzte ich auf die freien Gebiet. Da gibt es keine Regeln und hin und wieder treiben sich hier auch ein paar Menschen rum. Wie leichtsinnig von ihnen," erklärte ich. Ich seufzte etwas und betrachtete den Baum. "Ironischerweise denken die Zweibeiner, dass dieser Baum sie vor uns schützen soll," fügte ich grinsend hinzu, "Sie sind so naiv..." Ich war nach Jahren wilden Umherstreifens hier angekommen, als der Krieg schon mitten am Laufen war. Natürlich war ich geblieben. Überall Freiwild, alle schutz- und orientierungslos. Ich hatte Massaker angerichtet, von denen ich heute noch träumte. Eigentlich hatte ich vorgehabt bald wieder weiterzuziehen, doch dann war ich auf Fay getroffen und sie vertrat passende Ansichten. Aus einer Laune heraus hatte ich mich ihrem Rudel angeschlossen und nun war ich noch hier. Zwar mit dem Abkommen im Nacken, aber unter einigermaßen gleichgesinnten.

Ich hörte ihr gespannt zu und schnaufte herablassend. "Ein Abkommen um die Menschen zu schützen? Sind hier nur Vegetarier unterwegs oder was?" Ich schüttelte ungläubig meinen Kopf. Welche Idioten haben dem überhaupt zugestimmt? Ich betrachtete die Fähe neben mir und zeigte kurz meine Zähne. "Zum Glück, muss ich mich an kein Abkommen halten.. aber wenn du willst, dann können wir hier bleiben." Ich wäre am liebsten direkt in ein Dorf gelaufen und hätte ein Blutbad angerichtet, doch freute ich mich mehr auf die gemeinsame Jagt, weshalb ich mich ihrer Gebietswahl unterwerfen würde. Dieses mal.

Ich nickte nur kurz als Antwort. Manchmal fragte ich mich, wieso ich überhaupt noch hier war, aber dann fiel mir ein, dass es zumindest nicht langweilig wurde. Ich hatte genug zu jagen, und kämpfen und die Aussicht auf zukünftige Unruhen oder sogar ein weiteres Ausbrechen des Krieges hielt mich hier. Ich ging ein paar Schritte die Grenze entlang und suchte die Luft ab. Die Spuren waren alle zu blass, als dass noch ein Mensch in der Nähe sein könnten. Missmutig knurrte ich: "Hast du was?"

Ich tat es ihr gleich, bewegte mich in ihrer Nähe und suchte nach einer brauchbaren Spur. Doch nichts. Verärgert bellte ich und entblößte meine Reißzähne. "Nichts!" Ich hatte mich so auf eine gemeinsame Jagt gefreut. Wollte den Boden unter meinen Pfoten spüren, wie er immer schneller unter mir wurde und die Welt genauso schnell an mir vorbei flog während ich den dunklen Schatten der Fähe neben mir wusste. Ihr knurren und atmen hören, sowie ihre Freude, aber auch ihre Anspannung spüren können. Die Beute vor uns, schreiend, weinend, flehend um ihr Leben rennend, während wir immer näher kamen. Ich knurrte und vergrub meine Zähne in einen nahe stehenden Baum, mit einer schwungvollen Bewegung löste ich Rinde, als auch eine dicke Schicht des Holzes von diesem.

Überrascht drehte ich mich zu ihm um, als er seine Wut an einem Baum ausließ. Ich war enttäuscht, dass hier niemand war, dem wir bis zum Wahnsinn jagen konnten, doch grinste, als er seine Kraft demonstrierte. Die Splitter flogen bis zu mir. Resigniert knurrend ließ ich mich auf den Boden sinken. "Ich hasse diese unzuverlässigen Mistviecher!", schimpfte ich und warf anschließend jaulend meinen kopf in den Nacken. Die sollten meine Wut ruhig zuhören bekommen.

Ich warf meinen Kopf knurrend hin und her, bis auch der letzte Holzsplitter auf meinem Maul flog. Wäre ich allein gewesen, dann hätte mich nichts davon abgehalten einfach los zu rennen und in das nächste Menschendorf zu jagen, doch war dies nicht der Fall. Ich würde meiner Begleiterin nicht das Vergnügen einer Jagt nehmen oder sie gar zwingen, Regeln ihres Rudels zu brechen. Als sie ihren Kopf in den Nacken warf und mit lautem Ton ihre Stimme in den Himmel schickte, ließ ich mich davon anstecken. Ich regte mein Haupt in die Höhe und entsannte meine tiefe Stimme.

Ich war losgerannt und hatte immer nur mal nach ihm gesehen. Sollte er mich aus den Augen verlieren wäre da ja noch immer meine Fährte, die er wahrnehmen konnte. Erst als wir an die Grenze zum Gebiet der Menschen kamen stoppte ich. Ich setzte mich auf die Hinterläufe und ihm entgegen.

Als der Wolf mit in mein Jaulen einfiel schielte ich kurz zu ihm herüber. Er war definitiv einer der richtigen Sorte. Wurde dann aber wurde ein vertrauter Geruch durch den Wind an mich heran getragen und ich verstummte abrupt. Fay ist hier! "Komm mit. Du lernst jetzt die einzige vernünftige Anführerin der Werwölfe kennen." forderte ich meine Begleitung auf und wandte mich in die Richtung von der Fay kommen musste. Ich verfiel in flotten Trab und ließ meine Pfoten bei jedem Schritt schwer auf den Boden hämmern. Je näher ich ihr kam, desto mehr fiel mir aber auch ein fremder Duft auf. Es war ein weiterer Wolf, doch kannte ich ihn nicht. Ich bin also nicht die einzige mit Begleitung.

Ich verstummte und sah wieder zu der dunklen Fähe, als diese auch schon los lief. Anführerin der Werwölfe? Mein Fell kribbelte vor neugier, aber auch Aufregung. Meint sie eine Alpha? Ihre Alpha? Meine Ohren drehten sich leicht nach hinten, doch setzte ich mich ebenfalls in Bewegung. Gab es noch eine übergeordnete Rasse der Werwölfe? Welche, die alle Rudel führte? Ich schnaufte und zog tief die Luft mit meiner Nase ein. Definitiv ein Alpha. Aber auch ein anderer Geruch wurde zu mir getragen. Ein weiters Rudelmitglied? Ich blieb einige Meter hinter der dunklen Fähe, nur zur Sicherheit.